Romantik

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Skylaird ✝
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Registriert: Di 20. Jan 2009, 15:03

Beitrag von Skylaird ✝ »

Mit "unserer" Epoche verbinden viele den Begriff "romantisch" - vor allem dann wenn es um Mode geht. Die Romantik hat tatsächlich viel mit dem 19. Jhd. zu tun, wenn auch anders als man vielleicht vermuten würde.Romantik ist ursprünglich eine Bewegung, die von Künstlern ab dem späten 18. Jhd. ins Leben gerufen wurde. Sie leitet sich von "Roman", der zu jener Zeit zunehmend populären Literaturgattung, her. Die damaligen Romane waren zum Großteil Schauer- und Mysteriengeschichten. Die Befürworter einer "romantischen" Lebensführung orientierten sich daran und propagierten ganz allgemein Gefühl, Individualität und die Suche nach faszinierenden Geheimnissen. Die Romantik ist als Gegenkonzept zum Vernunftideal, dem Postulat der Aufklärung, zu sehen. Sie trug in ihren Ursprüngen aber auch viel Gedankengut der Libertins des 18. Jhd.s mit sich. Die Libertins waren ebenfalls vom Gedankengut der Aufklärung geprägt, interpretierten diese aber in dem Sinne, dass man sich nicht mehr um Religion und Moral (was in dieser kaum unabhängig voneinander gesehen wurde) zu kümmern hatte, da sie nicht mehr an einen Gott glaubten. Man konnte somit ein recht zügelloses Leben führen, wenn man es sich leisten konnte. Libertins waren meist wohlhabend oder hatten jemand der ihre Schulden bezahlte. Ihr Primat des Individualismus und ebenso eine gewisse Zügellosigkeit (= unvernünftig = romantisch) findet sich auch bei typischen Vertretern der Romantik. Der Dichter E.T.A Hofmann zum Beispiel war ein Säufer und Ehebrecher. Damals durchaus Merkmale eines romantischen Lebenskonzepts - heute würde man das anders sehen.Die wesentliche Wandlung erfuhr der Romantikbegriff wahrscheinlich im Verlauf des Biedermeier, also ca. ab 1820. Das kulturprägende Bürgertum liebte zwar die Vorliebe der Romantik für Gefühle, akzeptierte aber nicht die Exzesse und lose Moral der romantischen Künstler. Und die dunklen, spukhaften Elemente der Romantik mochte man lediglich als Romangeschichte, wobei man solche Romane (und auch Sagen und Märchen) bevorzugte, wo "das Gute", Tugendhafte am Ende die Oberhand behielt.Wenn man heute etwas als "romantisch" bezeichnet, dann schwingt auch immer etwas von biedermeierlichen Idealen mit: nicht das wilde, kurzlebige Gefühl wird als romantisch bezeichnet, sondern eher langfristig angelegte, "tiefe" Gefühle, die ein gutes Stück emotionale Sicherheit vermitteln.Was ist nun romantisch an viktorianischer Mode? Wirkt sie nur deshalb so, weil sie an eine Zeit erinnert, mit der wir (subjektiv) die Umsetzung romantischer Lebenskonzepte eher verbinden als mit unserer modernen Lebenswirklichkeit? Vielleicht greift ein ganz anderes Konzept: diese Mode ist unpraktisch. Man könnte auch sagen unvernünftig. Sie ist allein auf ästhetische Aspekte ausgerichtet, spricht also das Gefühl an. Alles sehr romantisch.
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